Wie bereits vorab inklusive Teamvorstellung ausführlich berichtet, fand in Braunfels (Hessen) am verlängerten Fronleichnam-Wochenende die 46. Deutsche Frauen-Mannschaftsmeisterschaft der Landesverbände (DFMM-LV) 2025 statt. Unter dem malerisch gelegenen Schloss trafen 14 Teams der Landesverbände aufeinander.
Für Bayern gingen wie angekündigt WFM Margarita Khrapko (SC Garching) und WFM Olga Birkholz (SC Bayreuth) an den Spitzenbrettern an den Start.

Dahinter spielten Berrak Albayrak (SC Noris-Tarrasch Nürnberg), Laura Sophie Bauer (SK Kelheim), Nese Pinar Albayrak (SC Noris-Tarrasch Nürnberg), Elisabeth Reich (ATSV Oberkotzau), Valentina Neumeier (SK Kelheim) und Emily Alferova (SC Garching). Komplettiert wurde das Team von BSB-Frauenreferentin Aylin Albayrak (SC Noris-Tarrasch Nürnberg), die in der letzten Runde als Edelreservist für die abgereiste Olga Birkholz einsprang.
Zwar ging der bayerische Achter als Titelverteidiger ins Rennen, doch nach dem Kraftakt – auch finanzieller Natur – im letzten Jahr wollte Mannschaftsführerin Aylin Albayrak nicht schon wieder “All-in” gehen; und zeigte sich experimentierfreudig. Sie gab etlichen Nachwuchstalenten eine Chance, die sich letztes Jahr in Bayern II bewährt hatten. Aber: So startete Bayern in diesem Jahr nur von Rang acht der Setzliste – wodurch eine zweite Mannschaft keinen Sinn mehr ergab – und galt somit nicht als Favorit, zumindest nicht laut Papierform.
Aylin jedoch wollte davon trotz einiger Unkenrufe nichts wissen: “Jede von Euch spielt besser, als Eure aktuelle Wertungszahl! Springt über Euren Schatten und lass uns alle überraschen!”, hieß es in der Ansprache vor dem Turnier.
Wie recht sie mit ihrer Vorahnung haben sollte, wurde schon in Runde 1 deutlich.
Bayern ging als Achter und damit als erstes Team der unteren Tabellenhälfte ins Rennen. Gemäß Schweizer System traf die junge Truppe damit direkt auf das top gesetzte Württemberg. Da ihr Team in den ersten drei Runden krankheitsbedingt nur zu siebt antreten konnte, lagen sie zum Start jedoch zunächst jeweils 0:1 in Rückstand.
Doch gegen Bayern blieb die erwartete Aufholjagd aus. An dieser Stelle stechen die Einzelleistungen von WFM Margarita Khrapko und Berrak Albayrak hervor, die es mit Kontrahentinnen deutlich höherer Wertungszahlen zu tun hatten. Margarita erkämpfte ein blitzsauberes Remis gegen Nationalspielerin WGM Hanna Marie Klek, die letztes Jahr noch für Bayern spielte, inzwischen aber den Verein gewechselt hat und Berrak schaffte einen Sieg gegen WIM Galina Timofeeva.
Elisabeth Reich knabberte zuerst einen Bauern ab, dann eine Qualität, letztendlich eine Figur und ließ sich die Partie nicht mehr nehmen. Zusammen mit dem Remis, das Valentina Neumeier schon früh vorgelegt hatte, lag plötzlich die Sensation in der Luft, denn nun genügte Bayern ein Remis, um den Auftaktsieg gegen den Setzlistenersten klarzumachen. Die 83-Züge-Partie von Laura Sophie Bauer, der es mit König und Springer gelang, zwei verbundene Freibauern zu stoppen und damit Remis zu halten, war ein Glanzstück und machte letztlich den Deckel drauf. Damit schaffte es Bayern gegen die haushohen Favoriten, die nötigen Punkte einzufahren, um einen knappen, aber verdienten 4,5:3,5-Sieg nach Hause zu bringen. Ein Turnierstart mit einem Paukenschlag!
Natürlich muss man fairerweise daran erinnern, dass Württemberg in Unterzahl spielte, aber das taten sie auch in den Runden 2 und 3, ehe eine Ersatzspielerin organisiert werden konnte. Dennoch gelang es nur dem bayerischen Team, die kurze Schwächephase des Favoriten zu seinem Vorteil zu nutzen.
In Runde 2 allerdings verpasste Bayern einen weiteren Überraschungserfolg gegen das drittgesetzte Berlin (3,5:4,5) denkbar knapp. Hier fehlte im entscheidenden Moment das Quäntchen Glück. Zumindest Unentschieden lag im Bereich des Möglichen. Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnte: Es sollte die einzige Niederlage im gesamten Turnierverlauf bleiben!
Siege gegen Thüringen (Chat: “Wie hoch haben wir gewonnen?” Margarita: “Hoch genug”) …
… und etwas weniger knapp gegen Schleswig-Holstein brachten das Team zurück auf Kurs. Plötzlich war Bayern unverhofft mitten im Titelkampf.
In der Schlussrunde wartete mit Hessen (Vierter der Setzliste) erneut ein schwerer Gegner.
Doch abermals gelang ein starker Start durch frühe Siege von Elisabeth Reich und Nese Pinar Albayrak. Am Ende stand ein souveräner 5,5:2,5-Erfolg zu Buche. Bemerkenswert war die Engelsgeduld von Emily Alferova im Bauernendspiel unter massiver Zeitnot, das sie Remis halten konnte, sowie der Kampf von WFM Margarita Khrapko am Spitzenbrett, die sich in einer fast sechsstündigen Partie erfolgreich gegen eine drohende Niederlage stemmte – und noch gewann.
Damit standen mit den Favoriten Württemberg und NRW sowie Außenseiter Bayern drei Mannschaften punktgleich mit acht Zählern an der Spitze. Die Entscheidung musste also über die Zweitwertung fallen. Nun sollte es sich auszahlen, dass Bayern schon in Runde 1 durch die Auslosung, aber auch in der Folge durch die erzielten Siege stets gegen starke Gegner spielen musste – und dennoch weiter Punkte einfuhr. So konnte der Drittplatzierte in der Buchholzwertung klar mit vier Punkten abgehängt werden.
Württemberg jedoch hatte am Ende hauchdünn – mit nur einem Buchholzpunkt Vorsprung – die Nase vorn. Damit ging der Meistertitel an Württemberg – herzlichen Glückwunsch – und Bayern landete mit dem Deutschen Vizemeistertitel von Startplatz acht (!) aus einen riesigen Überraschungserfolg.
„Hervorragendes Ergebnis und eine tolle Teamleistung“, jubelte Mannschaftsführerin Aylin Albayrak. “Ihr könnt so stolz sein.” Oder wie WFM Olga Birkholz, die zur Schlussrunde und damit leider auch für das Siegerfoto nicht mehr vor Ort war, trocken kommentierte: “2. Platz und den Ersten geschlagen. Gratulation!” In jedem Fall ein Riesenerfolg für das junge bayerische Team.
Zudem gab es auch einige individuelle Highlights, die gesondert hervorgehoben werden müssen: Mit WFM Margarita Khrapko, Elisabeth Reich und Valentina Neumeier blieben gleich drei Bayern ungeschlagen. Margarita und Elisabeth gewannen mit 4,5 respektive 4,0 Zählern gar die Wertung an ihren jeweiligen Brettern. Berrak Albayrak lieferte eine relative Eloperformance ab, die 250 Punkte über ihrer nominellen Spielstärke lag, während Margarita mit einer absoluten Leistung von 2457 den Vogel abschoss und mit ihrem Siegeswillen, selbst in scheinbar verlorenen Stellungen nicht aufzustecken, auch ihre jugendlichen Teamkolleginnen anspornte. Die Eigendynamik, die sich hier entwickelte, war wirklich bemerkenswert.
Natürlich blieb dieser Überraschungserfolg nicht lange im Verborgenen und so durfte sich Aylin über zahlreiche Gratulanten freuen, die dem jungen Team Respekt zollten für diese unerwartet starke Leistung aus der Tiefe des Mittelfelds.
Die Schachfreunde Braunfels, bei denen sich Aylin und die Mannschaft herzlich für die Ausrichtung bedankte, hatten keine Mühen gescheut und den in den Vorjahren oft als zu dunkel befundenen Spielsaal mit LEDs aufgepeppt und auch bestes hochsommerliches Wetter wurde bestellt, wie Bürgermeister Christian Breithecker verriet. So mussten die Damen bei bis zu 35 °C im Schatten ihre Partien bestreiten und die ein oder andere war froh, dass es bei der DFMM-LV nur eine Doppelrunde gibt.
Die ausführlichen Ergebnisse sind auf Chess-Results zu finden.
Links: DFMM-LV 2025 beim DSB / Ausschreibung / Schachfreunde Braunfels / Live-Übertragung auf Chessbase / Live-Übertragung auf Lichess / Mittelbayerische Zeitung
Text / Fotoquelle: BSB-Webseite