Zur Zeit der „New Economy“ genoss die Schachabteilung des TSV Bindlach üppiges Sponsoring durch die Zeitschrift „Der Aktionär“, wurde von ihr Richtung Bundesliga gepusht und verewigte dies aus Dankbarkeit im Namen und auf Vereinspullovern. Mit den Kursen sank dann die Förderung, ohne sich mit ihnen wieder gleichwertig zu erholen. So ist TSV Bindlach Aktionär heute eher in regionalen Ligen unterwegs. Am 17. 3. 2024 war die Bindlacher Zweite in der Bezirksoberliga beim Schachverein Seubelsdorf zu Besuch. Wessen Gewinnfantasien sollten sich dabei erfüllen, bei wem würde es zu einem Kurssturz kommen?
Das Geschehen auf dem schwarzweißkarierten Parkett gestaltete sich recht volatil, wohl auch deswegen, weil beide Teams auf Stammspieler verzichten mussten. Während Seubelsdorf trotzdem einen vollen Achter zustande brachte, musste das Bindlacher Spitzenbrett leer bleiben. Jürgen Gegenfurtner strich nach der halbstündigen Karenzzeit kampflos den ersten Punkt für Seubelsdorf ein.
Dies war aber kein Portfolio, mit dem sich die Gastgeber entspannt zurücklehnen konnten. Vorwiegend zu ihren Ungunsten traten nun nämlich massive Mitnahmeeffekte ein. Hans-Jürgen Drechsel an Brett 6 gegen Matthias Wolf und Florian Süppel an Brett 8 (hier im Bild) gegen Hendrick Plückhahn hatten sich jeweils aussichtsreiche Stellungen erwirtschaftet, gerieten dann aber unter Druck und mussten spielentscheidendes Material stehen lassen, was ihre Gegner dankend mitnahmen. Clemens Hanschkow kam zunächst an Brett 5 gegen Serge Schäfers am Königsflügel gut voran, seine Deckung auf der anderen Brettseite hielt jedoch der kritischen Prüfung durch einen dort eingenisteten Springer nicht stand, woraufhin auch dieser Punkt an die Bindlacher ging. Ein Unentschieden, das Wolfgang Bürckmann in durchgehend ruhiger Stellung an Brett 7 gegen Marco Petzet erzielte, korrigierte das Tagesergebnis an den hinteren Brettern ein wenig nach oben. Doch hatten die vorderen Seubelsdorfer Bretter nun schwer zu arbeiten, um wenigstens wieder den Break-even-point des Gleichstands zu erreichen.
Ein erster Schritt in diese Richtung gelang Tizian Wagner, dessen druckvoller feindlicher Übernahme der gesamten Stellung an Brett 2 Jaroslav Tiller auch dadurch, dass er seinen eigenen Personalstand verkleinerte, nichts entgegensetzen konnte.
Wer zuletzt lacht, hat entweder den Witz nicht verstanden oder dann erst bemerkt, dass es einer war. Zu gleich zwei schrägen Pattwitzen der letztgenannten Art kam es an Brett 4 in der Partie von Uwe Voigt: Erst trieb er im Endspiel Torsten Petzolds Läufer in den Konkurs, indem er ihm alle sinnvollen Züge nahm, und schickte seinen eigenen Springer zu großzügiger Materialakquise über das ganze Brett. Eine Schrecksekunde war zu überwinden, als Petzold seinen Läufer opferte, um mit seinem König einen Freibauern durchzudrücken. Voigts rüstiges Ross bot sich jedoch als Gegenopfer an, das nicht angenommen werden durfte, weil sonst einer seiner Bauern zur Dame gelaufen wäre. Was er langfristig aber ohnehin tat. Vom Pferd und der neuen Dame in die Ecke getrieben, reklamierte Petzold Remis, doch gehörte der Bauer, der seinem Monarchen den Weg versperrte, nicht zu seinem eigenen Team und konnte, ja musste geschlagen werden – woraufhin Voigt einzügig Matt setzte.
Nun stand das Match wieder gleichauf und musste sich in der letzten laufenden Partie an Brett 3 entscheiden. Der Seubelsdorfer Mannschaftskapitän Marko Hofmann hatte dort Viktor Benner schon in der Eröffnung Qualität und Bauer abgeluchst. Routinier Benner verteidigte sich zäh, indem er einen scheinbar unschlagbar eingehegten Fonds einander deckender Figuren bildete. Hofmann musste viel Geduld und Findigkeit investieren, um dieses Konstrukt zu zerlegen, was ihm schließlich souverän gelang und Seubelsdorf einen in freundschaftlicher Atmosphäre hart erkämpften Vorsprung von 4,5:3,5 Punkten einfuhr.
aufgeschrieben von Uwe Voigt
Bildunterschrift: Volatiles Spielgeschehen – auch bei Florian Süppel
Bildquelle: Uwe Voigt