Wo sich Taktikfuchs und schachhasi Gute Nacht sagen!

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Draußen bricht langsam die Dunkelheit herein. Es sind kurze Tage. Vereinzelt verirren sich Schneeflocken in der entschleunigten Landschaft und lassen sich träge vom Dezemberwind durch die Luft wirbeln. In den verwaisten Vereinslokalen der Schachspieler kann man nicht einmal mehr das gewohnte Ticken der Uhren vernehmen. Die Spielfiguren haben im Oktober das letzte Mal das Tageslicht gesehen. Danach wurden sie in ihre Kistchen verklappt und harren der Dinge. Sie schauen sich verdattert an und fragen sich, wann sie  die Bühne eines Schachbretts wieder betreten dürfen.

Die ausgerufene und vielfach beschworene Unterfränkische „Corona-Liga“ mit gestutzten Teams und lokalen Wettkämpfen als Ersatz für die normale Verbandsrunde ist ihrem eigenen Namen und dem Inzidenzwert bis dato zum Opfer gefallen.

Das Schachspiel scheint brach zu liegen, wie so vieles in diesen tristen lock-down Phasen. Weihnachtliche Zeit – Stille Zeit, oder?

Als maulwurfpauli (so mein Gamer Name bzw. Avatar) kenne ich mich im Untergrund aus. Ich sitze hier vor meinem frisch geschürften Hügel – äh, nein, Quatsch – natürlich vor meinem PC (!) und kann Euch versichern: Das Schach brummt und summt in den Glasfaser- und Kupferleitungen. Auf mehreren Online Plattformen sozialisieren sich Kollegen unterschiedlichster Vereinsherkunft, über die Landes- und Altersgrenzen und Spielmodi hinweg in Teams und Turnieren! Da gibt es beispielsweise die „Senioren & Schnellschach Hochfranken/Bayern/Sachsen/Thüringen“ Truppe, aktiv & quirlig, wie der Gruppenname lang ist, den „Schachbezirk Odenwald / Tauber“ oder die „UFRA-Schach“ Gemeinschaft. Nur um ganz wenige zu nennen.

Freitagabend schaut man virtuell in Dettingen vorbei. Diese ligatechnischen Wahlhessen sind auf speed! 😉 – System 3+2! 3 Minuten für die gesamte Partie mit einem Zuginkrement von 2 Sekunden. Da musst du blitzschnell und hoch konzentriert spielen, sonst wirst du vom Brett gefegt! Das wird nur noch durch das 1 Minuten Bulletschach getoppt. E-I-N-E Minute pro Spiel, schon verrückt, diese Schachzocker, nicht wahr?!?

Ich klinke mich Samstags in „Memmersch“ (Anm. der Red.: Mundart sprachlich für Mömbris) bei den Kahlgründern ein. Die machen es für einen „slow mover“ mit 10+5 erträglich. Gerade duellieren sich „Taktikfuchs“ und „schachhasi“.

Aber der Internetzirkus zieht schon wieder weiter: Am Sonntag ist Showtime bei den Rotweinstädtern: In Klingenberg tummeln sich bereits BloodOrange, Watzmann_2713, BigMc89, Old_Zockerhand (der kommt nicht aus dem wilden Westen, sondern ist aus Kronach, …ich habe das wasserdicht recherchiert 😉), Nuramon27 oder die „Schachtouristin“. Letztere ist übrigens mit dem „Schlappeseppel-Fan“ verbandelt, aber das ist nebenbei nur was für die Insider…

Trotzdem muss man selbst als Maulwurf beim Internetschach hellwach bleiben und die Augen offen halten! Manche Schachspieler dopen online unter dem Mantel der Anonymität besonders gerne. Nicht mit Steroiden oder Anabolika. Auch nicht mit Koffein. Das wäre ja noch legitim. Nein, diese Cheater bedienen sich unerlaubten Souffleurkästen, die ihnen fehlerfreie Züge einflüstern. So etwas geht gar nicht und glücklicherweise werden viele Betrugsfälle wiederum durch Plausibilität – Algorithmen enttarnt. Aber das ist ein anderes Thema.

Der Schachklub Kelheim lässt sich in Corona Zeiten nicht unterkriegen, hängt seinem Turnier ein „O“ an den Namen und  benennt das traditionelle Wittelsbacher Weihnachtsopen „WWO“ kurzerhand und schwuppseinfach in die Online Ausgabe „WWOO“ um. Die Niederbayern laden zwischen den Jahren pandemiekonform trotzdem Hunderte von Schachinteressierten ein. Es wuselt und sirrt – aber ganz ohne Gedränge! Nur auf den Datenautobahnen staut es sich ab und an und mancher hat eine „Dis-connect“ Datenpanne. Aber das interessiert selbst die Gelben Engel des ADACs nicht.

Auf einer anderen Seite organisiert der Weihnachtliche Schachengel Elias aus Höchstadt unter https://schachtraining.de/adventskalender/ einen zauberhaften Adventskalender, der täglich verzwickte Schachnüsse aufgibt.

Schachaufgabe aus Tür Nummer 7 hat es in sich:

Die Lösung gleicht einem Weihnachtsbaumzickzack, das durch eine Springer Avalanche ungeahnten Ausmaßes ins Rollen gebracht wird.

1. Bauer a7->a8: Springer lautet der einzig galoppierbare Schlüsselzug und im weiteren Verlauf verhelfen nur drei weitere Unterverwandlungen, dass der schwarze König nicht Patt, sondern justamente Matt gesetzt wird.

Die Schachspieler lassen sich viel einfallen und sind gesellig. Manches bleibt im Dschungel des Internetdickichts verborgen. Trotzdem freue ich mich n.C. wieder riesig auf mein erstes Spiel am Holzbrett gegen einen Menschen aus Fleisch und Blut. So wie es heuer leider nur einmal in diesem Jahr möglich war. Der erlebte Unterschied ist signifikant! Bis dahin vertreibe ich mir die Zeit bei den Mömbrisern, Hochfranken, Odenwäldern oder Untermainern. Ebenso schaue ich Livepartien des Weltmeisters Carlsen, real time computerbewertet, den Fachkommentaren der zugeschalteten Schachgroßmeister lauschend.

Das Duell zwischen Taktikfuchs und schachhasi hat übrigens – fast wie im richtigen Leben – der Erstere für sich entschieden. Ob sich beide nach der Partie noch weitere Duelle lieferten, sich zu einem virtuellen Bier verabredet haben, oder gar gegenseitig im Chat eine gute Nacht wünschten, bleibt dennoch ihr Geheimnis. Schaut doch einfach auf der non-Profit Plattform lichess.org vorbei, spielt mit, und findet es selbst heraus!

Quelle: Text und Bilder von Klaus Link